Mittwoch, 30. April 2014

Kindermund

Effizientes Mittagessen. Es gibt die Bauernhofsuppe von Maggi. Darin schwimmen Teigwäreli in diversen Formen. Wir finden einen Traktor, ein Bauernhaus, einen Hahn... Max hält mir den Löffel mit Einlage hin. "Schau mal, Mami: Ein Zombie-Elefant!"

Suppenkaspar-Trick, wenns noch dampft: "Immer die oberste Geschichte zuerst ablöffeln!"

Max Lieblingsfilme: "Das Tschumpelbuch", "Nackt ume See um" und "Läitmäkquiin".

Max hilft mir beim Wohnzimmer aufräumen und stapelt liegengebliebene Zeitschriften. "Mama, brauchst du dieses Heftli noch? Ich legs dir sonst hier hin. Dann kannst du es nochmal lesen, wenn du das Bedürfnis hast."

Gespräche zwischen Fahrer- und Kindersitz. Abschliessend fragt Sohnemann: "Bist du verstanden, Mama?" Ich korrigiere: "Du meinst einverstanden, Max." Der versuchts nochmal: "Bist du auferstanden, Mama?"

Max: "Iiiieh, Mama, du riechst nach.... (kurze Denkpause) Tod!" Ich erst schockiert: "Wie bitte?!" Dann etwas neugierig: "Wie riecht denn das?" (Und woher bitteschön willst du das wissen? Und übrigens hab ich heute Morgen geduscht, du kleines Monster!) Max: "Keine Ahnung, einfach gruusig."

Nach einem übellaunigen Vormittag fragt mich Max vorsichtig: "Mama, wirkt jetzt die Kopfwehtablette schon?"

Dienstag, 29. April 2014

Cedric - 10 Monate und drei Wochen

 
Meistens landet der wöchentliche Babycenter-Newsletter direkt im virtuellen, runden Ordner. Einerseits fehlt oft die Zeit zum Lesen, andererseits zeigen Cedric und Max jeden Tag ihre Fortschritte und ihr Können, dass Zugucken viel mehr Spass macht, als darüber zu lesen. 

Der kleine Käfer lebt auf grossem Fuss! Von wegen wie praktisch, zwei Sommerbuben und Kleider auftragen... Eine Grösse nach der anderen wird säuberlich verpackt und (nicht selten nur zur Hälfte überhaupt zum Einsatz gekommen) im Keller versorgt. 

Fokus, Wille, Durchhaltevermögen zeichnen unseren zauberhaft sturköpfigen Dreiviertelmeter aus. Was er will, bekommt er auch. Meisterhaft versteht er es, uns alle - den grossen Bruder inklusive - um den Finger zu wickeln und gelangt so an die spannende Fernbedienung, bäuchlings auf die Terrasse oder unter den Schreibtisch zum Kabelsalat. Ein ernstes und langgezogenes "Aiiii, Cedi!" macht schon längst keinen Eindruck mehr. Männchen unterbricht sein Manöver zwar, setzt sich aufs Pämpifudi, strahlt von einem Ohr zum anderen, schüttelt synchron mit dem Scheltenden den Kopf (oder vielmehr den ganzen Oberkörper), dreht sich aber anschliessend um und führt sein Vorhaben gelassen zu Ende. Wirkung zeigt nur eine gnadenlose Dislozierung ins Tripptrapp-Stühlchen oder ein anderes Zimmer, in der Hoffnung, der kleine Abenteurer vergesse seine Mission. Obs funktioniert? Mal so, mal.... "Cedi, raus aus den Vorhängen!!"




Flogen mir bei Max noch selbstgekochte Gemüsewürfeli um die Ohren, bis ich Hipp und Holle auftischte, hält es Cedric genau umgekehrt. Mag sein, dass Mutters Kochkünste sich seither weiter entwickelt haben, aber nichts kommt so gut an wie Selbstgemachtes. Ist der Hunger allzu gross, isst Cedi seinen Gemüsebrei vorab, und sitzt dann entspannt und neugierig mit uns am Tisch. Spargeln, Brötchen, Cervelat, gegrillte Peperoni, Kartoffeln in jeglicher Form - alles wird untersucht und probiert. Hurra, auch unser Zweiter ist ein Allesfresserchen!



Am Sonntag staunen wir Bauklötze: Cedeler steht - noch etwas wackelig zwar - aber definitv selbständig auf beiden Beinen und hält sich am Sofapolster fest. In die Höhe ziehts ihn zwar schon ein Weilchen, aber dies ist der erste Erfolg, den wir natürlich gleich auf Video festhalten. Ebenso den Wutanfall, als der Versuch, gleich auch noch das Sofa zu erklimmern (vorerst) scheitert.



Erschrocken, als der grosse Bruder etwas schwungvoll sein Ostergeschenk auspackt und das Papier dabei in Fetzen reisst:



Gut gelaunt nach der täglichen Kaliumportion: Eine Banane zum Zvieri verschwindet in Rekordzeit. Quark oder Joghurt dazu helfen mit, die Verdauung in Schwung zu halten.











Papa ist der Beste! In den Frühlingsferien starten wir einen erneuten Versuch, den ungeliebten Nachtschoppen loszuwerden. Eisern bietet Papa nur noch Wasser an, was nach zwei mühsamen Nächten Wirkung zeigt und akzeptiert wird. Nun schläft Cedric - mit Ausnahme vom einen oder anderen Albtraum - durch und isst auch tagsüber endlich mehr. 




Freitag, 11. April 2014

Von J bis C

Irgendwann in den Neunzigern:
"Du hast all deine herausragenden Merkmale von deiner Grossmutter väterlicherseits geerbt." Mein Vater meint damit - so genau lässt sich das nicht mehr rekonstruieren - vermutlich Brust und Nase. Ob Fluch oder Segen lässt sich da noch nicht abschätzen. Belegt ist jedoch: Aufnahmen im Profil gibt es ab da kaum mehr von mir. 

Sommer 2000:
Dr. med. H.B. Gynäkologe am Regionalspital Thun versichert mir, dass die soeben verschriebene Pille "keinenfalls und absolut sicher nicht"  Einfluss auf meine Körbchengrösse haben werde, noch würde ich davon zunehmen. 

Winter 2000:
Gewichtszunahme innerhalb der letzten sechs Monate: 8kg. Körbchengrösse C weicht E, farbige Unterwäsche macht Platz für wahlweise schwarze oder weisse BHs. Für mehr Halt trage ich auch schon mal zwei davon übereinander. Sport macht ab da erst recht keinen Spass mehr, Einkauf von Lingerie wird zu einer Mission Impossible.

Frühling 2003:
Die Google-Suchmaschine spuckt auf Anfrage unter anderem eine englische Ladenkette als Anbieter von Unterwäsche für üppigere Damen aus. Bravissimo entpuppt sich als meine Rettung. Endlich schliessen sich Grösse und schöne Wäsche nicht mehr aus! Über tausend Franken sind es bestimmt, welche die Briten in den nächsten zehn Jahren an mir verdienen. Die Post sahnt davon einen nicht unerheblichen Anteil als Zollgebühren ein. 56.- pro Paket sind keine Seltenheit, und anprobieren muss man die Sachen ja - ein Ausflug nach London liegt nur alle zwei Jahre drin. 


Juli 2010: 
Söhnchen Max kommt zur Welt. Mit dem Milcheinschuss platze ich buchstäblich aus allen Nähten. War es bisher schwierig, gut sitzende BHs zu finden, wird das für Still-BHs nun unmöglich. Mit zusammengebissenen Zähnen bestelle ich ein hässliches Modell aus den USA, welches mit einer Grösse von 32K mindestens Volumen verspricht. Damit sind die Zwillinge erstmal gebändigt. Halt und Bequemlichkeit sind Luxus geworden, wohlfühlen werd ich mich erst wieder nach dem Abstillen ein halbes Jahr später. 


Februar 2011:
Die Schwerkraft fordert ihren Tribut. Mein Körper wird zunehmend zum Feindbild. 


Winter 2012/13: 
Bereits während der zweiten Schwangerschaft graut mir vor der kommenden Stillzeit. Neidvoll sehen ich zu, wie flachbrüstige Freundinnen müheslos ihre Babies mit der einen Hand andocken und mit der anderen Gipfeli und Latte Macchiatto balancieren. Bei Sätzen wie "Ich weiss gar nicht wohin mit all meiner Milch!", "Diese Innigkeit... Manchmal muss ich vor lauter Glück heulen beim Stillen!" oder "Meiner verschluckt sich immer, so stark fliesst es bei mir." werde ich aggressiv. 

Juni 2013:
Cedric wird geboren. Wie erwartet bleiben mir nur die Milchpumpe und Akkord-Ansetzen. Aber selbst damit wird mein Würmchen nicht satt. Vom ersten Tag an füttern wir Schoppenmilch zu. "Du stillst sicher?" fragen mich Mitmamis. Ihre Blicke wandern unweigerlich auf meinen übergrossen Busen, wenn ich verneine und erkläre, ich hätte kaum Milch. Ich kann die Situation nur schlecht annehmen und fühle mich als Versagerin.
 
Sechs Wochen später: 
Ein aktiver Dreijähriger neben dem Neugeborenen lässt stundenlanges Sitzen auf dem Sofa und Experimentieren mit Stillmanövern nicht zu. Ich gebe (und atme) auf. 


August 2013: 
Sonntagnachmittag bei meinen Eltern. Ich bin sprachlos. Soeben eröffnet mir mein Vater, dass er mir eine Brustverkleinerung ermöglichen werde. Finanziell, natürlich. Auch wenn an ihm ein Mediziner verloren gegangen ist - den Eingriff überlassen wir dem Profi. Freude und Erleichterung sind riesig! Bereits im September findet das erste Vorgespäch beim Chirurgen statt. Am liebsten würde ich mich sofort unters Messer begeben. Mein Umfeld und der Fachmann raten aber zu etwas Geduld und Gelassenheit. Die Hormone müssen erst wieder auf "nicht schwanger" umstellen, mein Gewicht muss runter und ein idealer Zeitpunkt für die Operation will mit Bedacht gewählt sein. Wir einigen uns auf Ende März 2014.

31. März 2014
Mit mulmigem Gefühl und gepacktem Rollköfferchen rücke ich am Montagmorgen nüchtern in die Klinik ein. In einer Garderobe verstaue ich meine Kleider und tausche sie gegen Krankenhauskittel und Stützstrümpfe. Mir wird die Endgültigkeit bewusst: Den BH werde ich zum letzten Mal ausgezogen haben. Die Wehmut währt dank einem Blick in den übergrossen Spiegel nur kurz. Weiter! 

Dr. T. erscheint mit Assistent und Filzstift. In den nächsten zehn Minuten verwandelt sich meine Brust in ein vergängliches Kunstwerk: Hier eine ausgezogene Linie in violett, da eine gepunktete in grün... Wenn ich mir den Assistenten hinter meinem Chirurgen ansehe, dünkt mich fast, dieser wirkt genau so ratlos wie ich. Der Arzt wechselt fliessend zwischen gemurmelten englischen und deutschen Fachbegriffen. Wir nicken beide bestätigend. Was bleibt uns auch anderes übrig. Mein Herzklopfen und meine Emotionen stehen in krassem Gegensatz zur Ruhe und vollkommenen Konzentration vom Operateur. Er sieht bereits das Resultat und hat mir damit etwas Entscheidendes voraus.

Das OP-Team nimmt mir mit Humor und Herzlichkeit die Angst. Mir wird in der Maske erst Sauerstoff, dann ein Narkosemittel verabreicht. Ob es hier auf dem Tisch schon jemand bis zehn geschafft hat? Meine letzten Gedanken: Der Vorhang ist nicht zugezogen, ich seh von hier aus den Parkplatz. Wer jetzt anfährt, kriegt eine Show geboten! Eins, zwei... 

Von weit her ein Ruf. Instistierend. Mein Name. Ich steh im Einkaufszentrum und will mich nicht ablenken lassen. Was benötige ich noch?... Ein Klaps auf die Wange, gleissendes Licht, unendlich schwere Augenlider... Ich komme noch im Operationssaal zu mir, ein Gefühl von Schwere auf der Brust. So tief hab ich seit Jahren nicht geschlafen. Das Wichtigste kriege ich mit: Alles gut gelaufen. Die nächsten zwei, drei Stunden bilden Lücken in meiner Erinnerung. Einzig: keine Schmerzen. Meine grösste Angst, nun Erleichterung. 

Die Walliser Pflegefachfrau kneift mich freundlich in die Wange. "Na, Sie haben ja schon wieder etwas Farbe im Gesicht. Und? Haben Sies schon gesehen?" Sie zieht für mich die Bettdecke ein wenig runter. Zum ersten Mal sehe ich meine neue Form. Obwohl noch straff eingepflastert, könnte der Unterschied kaum grösser sein. Symmetrisch. Kompakt. Aufrecht. Und noch etwas fremd. Zweifellos werden wir uns bald miteinander anfreunden. Ich bin überglücklich und dämmere wieder ein. 

Im Laufe des Nachmittags schaffe ich ein halbes Joghurt und ein Dritteli einer Zwiebackscheibe. Mir ist übel. Die Nachwirkungen der Narkose, der Geruch nach Braunol, der Anblick der Drainage-Schläuche, welche zu jeder Seite in ein kleines mit einer ekelerregenden Flüssigkeit gefüllten Fläschchen münden... Mit Hilfe der Schwester unternehme ich einen ersten Spaziergang zur Toilette. Ein schwerwiegender Fehler, wie sich wenig später herausstellt. Innerhalb weniger Minuten füllt sich die rechte Flasche mit Blut. Der Chirurg wird gerufen. Er entdeckt das Blutkissen unter der Haut sofort. Das gesamte OP-Team wird aus dem Feierabend mobilisiert, und schon eine Stunde später liege ich wieder auf dem Tisch. Im Gegensatz zum Vormittag allerdings, gelte ich - laut Anästhesistin - als nicht nüchtern. Nach dem zweiten Aufwachen entfernt man mir daher als erstes einen vorsorglich gelegten Tubus. Eine Erfahrung, die ich gut und gerne missen möchte. 

Lag nach der ersten Aufwachzeit am Morgen schon ein wenig kreuzworträtseln drin, fühle ich mich jetzt nur noch erschlagen. Ich ergebe mich der Müdigkeit, werde aber in der Nacht alle zwei Stunden geweckt. Blutdruck und Sauerstoff werden gemessen, die Fläschchen kontrolliert - alles in Ordnung. 

Dienstag kommt und geht. 

Was am Vortag noch undenkbar schien: Heute ist bereits Austritt. Noch ein wenig käsig und wackelig auf den Beinen werde ich von meinem Mann abgeholt. Die nächsten Tage muss ich ruhen, die nächsten Wochen mich schonen. Das Wäsche aufhängen und Geschirrtrockner ausräumen überlasse ich dabei gerne anderen. 

Zuhause angekommen, schlüpfe ich als erstes in meinen roten Lieblingsmantel. Den hatte ich diesen Winter erstanden, ohne auch nur einen Knopf schliessen zu können. Bisher trug ich ihn einfach an milden Tagen. Und jetzt? Er passt wie angegossen, ich strahle!

Und für alle Tapferen, die bisher durchgehalten und mitgelesen haben nun die Vorher/Nachher-Bilder:


Vorher:



(Bild: 9gag)

Nachher: 
(Bild: www.neon.de)