Dienstag, 5. Juli 2016

Prinz Max wird zum Fröschlein!

Max und ich nehmen den Morgenzug von Bern nach Linz, um letzte Vorkehrungen für eine gelungene Übersiedlung vor Ort zu treffen. Auf dem Programm stehen unter anderem die Wohnungsübernahme, zwei Schulbesuche (hier in Austria gilt freie Schulwahl) und die Anschaffung von Kühlschrank und Waschmaschine/Trockner. 

Peinlicher Moment am Kiosk vor Abfahrt (noch beim Aufschreiben zieht es mir die Eingeweide zusammen..). Ich komme ins Plaudern mit einem Herrn mit ausländischem Akzent, der mit mir in der Schlange steht und platze unbedarft heraus: "Sie klingen wie meine heutige Destination. Wir fahren nach Österreich." Er lächelt ein bisschen gequält, stellt sich als Bayer vor und meint grosszügig, dass ihm dies öfters passiere. Autsch!


Max hat sein neues Rollköfferchen dabei, im Rucksack verstecken sich neue Spielsachen und ein leckeres Picknick, um ein wenig Kurzweil in die achtstündige Fahrt zu bringen. Wie es so ist, vergeht kaum die erste Stunde, und alle Neuheiten sind gestestet und ausprobiert, jede Comicbuchseite mindestens zweimal angeschaut, und es dämmert meinem Sohn, worauf er sich da eingelassen hat. Innerlich zwinkere ich meinen Eltern zu, als ich gefragt werde, wie laaaange denn die Reise noch dauere, und wann wir denn eeeendlich da seien. Kreise, die sich schliessen. Auch witzig: Wie den Mitpassagieren die Augenbrauen hochgehen, wenn Max aufgeregt ruft: "Mama, ich hab eine Bombe. Und noch eine! Achtung, gleich geht sie hoch!" während er auf meinem Natel Candy Crush spielt. Ein Wunder, dass wir unterwegs nicht von der Bahnpolizei aufgegriffen werden.


09:34Uhr
09:38Uhr
09:55
10:02Uhr
Einmal recht freundlich für die Kamera! Ein Sechstel der Reise liegt hinter uns...
Familientraditionen werden gepflegt - samt Schummelversuchen.
Die Tiptoi-Bücher sind mein Ass im Ärmel, welche ich erst nach Salzburg hervorzaubere. Fast geschafft!
Eine Lokpanne noch diesseits der Grenze in Buchs geht glimpflich aus. Dennoch, die Verspätung zieht sich durch bis am Schluss.
Vor unserem Hotel, dem Marriot Courtyard: Diese Rosen waren beim letzten Besuch noch feste, kleine Knospen. Glück gehabt! Am nächsten Tag wütet der Gärtner und mäht alles ab. Keine einzige Rose überlebt den Kurzhaarschnitt.
Wir belohnen uns für die Strapazen der Reise. Im Hintergrund: Max' Geburtstagsgeschenkwünsche.
Gebannt schaut Max die Big Bang Theory, bald heisst es Licht aus!

Am nächsten Morgen erwartet uns eine grosse Überraschung vor dem Hotel. Das bestellte Taxi ist kein poppeliger Mercedes, sondern ein regelrechter Tesla! Max und Mama sind gleichermassen aus dem Häuschen. Die Fahrt auf den Froschberg ist viel zu schnell vorbei. Wir tauschen Nummern mit dem Fahrer, welcher uns auch in Zukunft Spezialpreise verspricht. Einmal mehr sind wir - dafür haben wir scheinbar ein Händchen - an einen Fahrer mit Schweizer Taxi-Erfahrung geraten. Sein Einsatzgebiet damals: Winterthur - Töss. Kampferprobt also. 



Die Froschberg-Schule. Ein Schulhaus, vier Klassen - überschaubar, geräumig und bunt! Den brummeligen Abwart werten wir als gutes Omen, schliesslich gehört sich das so. Die Frau Direktorin nimmt uns einen Stock höher umso herzlicher in Empfang und freut sich aufrichtig, Max kennenzulernen. Sie führt das Gespräch in erster Linie mit ihm, was Max etwas überfordert. Er ist schüchtern und mag noch gar nicht antworten. 




Frau Grünberger (wie passend für eine Frosch-Direktorin!) setzt ihn aber keineswegs unter Druck, sondern bietet ihm freundlich die Hand an. Sie will uns in die erste Klasse mitnehmen. Max fasst Vertrauen und ihre Hand, und ich folge den beiden den farbigen Schulgang herunter. Der Geruch von Schweissfinken, Kreide und Caprisonne ist beruhigend familiär. 

 
 

Frau Grünberger und die 1. Klass-Lehrerin Frau K. stellen Max als Schnupperkind vor. Offensichtlich sind alle auf den Besuch vorbereitet, Max wird sogleich ins Zimmer gezogen und darf mitmalen, rechnen und sogar Geburtstagsjause geniessen. Mama ist hingegen unerwünscht und kriegt eine Personal Tour von der Direktorin höchstpersönlich. Es ist deutlich spürbar, wie sehr ihr das Wohl der Kinder und der Lehrerschaft am Herzen liegt. Ebenso klar sind aber ihre Haltung und Werte, welche ein harmonisches Zusammenleben im Haus möglich machen. Nach einer Stunde (eine Klingel kennt man hier nicht, die Lehrerinnen kennen den Rhythmus ihrer Schüler am besten) möchte ich meinen Sohn wieder abholen. Der winkt aber nur von ganz weit und ist aus der Klasse nicht herauszulocken. Somit vertreibe ich mir eine weitere Stunde mit Fotografieren und Gesprächen mit Max' zukünftiger Lehrerin Frau P. Sie erklärt mir das Leitbild und die Abläufe an der Schule und bietet an, auch in den Ferien für Fragen für uns da zu sein. Ganz ungewohnt für uns: Die Kinder sprechen die Lehrkraft mit Frau Lehrerin oder Frau Direktorin, nie mit Namen an. Die lange Einkaufsliste für Max' Schulmaterial lässt einen wehmütigen Gedanken an unser eigenes Schulsystem aufkommen. Zwei A4-Seiten vollgeschrieben, vom Leimstift über den Zeichenblock bis zur Hunderterpackung Taschentücher, alles bitte anzuschaffen bis Mitte September.





Morgen werden wir uns noch die zweite Schule auf dem Froschberg ansehen. Aber für uns ist jetzt schon klar: Hier gefällts uns. Der einzige Nachteil an dieser Volksschule ist der deutlich längere Schulweg. Allerdings versichert man uns, dass Kinder aus allen Stadtteilen mit dem Bus hier hochfahren. Dann werden wir den Spaziergang durchs Quartier - notfalls mit Scooter - wohl ebenfalls schaffen.

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Schlüsselübergabe in der Schweiz: Man trifft sich mit Vermieter und Verwaltung, geht ein seitenlanges Protokoll Punkt für Punkt durch, hält etwaige Mängel fest, bekommt vom Dampfabzug bis zur Toilettenspülung alles nochmal erklärt und erhält zum Schluss den Schlüssel zur neuen Wohnung nach vierfacher Unterschrift.

Schlüsselübergabe in Österreich: Hier bitte, Ihr Schlüssel.

Das Bubenzimmer - eine ehemalige Einzimmerwohnung mit separatem Bad, welches an die eigentliche Wohnung angebunden wurde.


Blick in die Küche. Links am Rand kommt der neue Kühlschrank hin. Ein Siemens Kombikühler (hurra, Glacé im Vorrat!), no frost, no less!


Blick aus der Küche Richtung Flur. Vor der Tür links abgebogen...


... ergibt sich der Blick ins Wohnzimmer samt kleiner Lotscha.


Schwenker im Wohnzimmer nach rechts


... und noch weiter nach rechts: Mamas künftiges Lesezimmer. Mein Traum, eine Bücherwand und Corbusierliege. Oder Poäng. Je nach Rest-Budget.


Die zukünftige Bibliothek - vermutlich eher das Esszimmer. Wir debattieren noch.


Unsere Loggia im vierten Stock. Meine Hoffnung, dass es Spinnen nicht hier hochschaffen, war unbegründet. Mistviecher.


Netter Park mit Spielplatz vor dem Haus.


Blick aus der Küche in Richtung Schlafzimmer/Büro. Rechts gehts den Flur runter zur Haustür und zur Kinderresidenz.


Elternschlafzimmer mit Einbauschrank. Ein ursprünglicher Raumteiler, der ...


... auf der anderen Seite ein Büro/Gästezimmer ermöglicht.


Flur Richtung Haustür. Rechter Hand: Ein Klo, dann ein Bad und schliesslich ganz unten die Ausfahrt zum Kinderzimmer.


Le petit ou-la-la...


... et la grande salle de bain.


... spannend: Wenn die Tür ins Schloss fällt, wird sie von aussen nur mit Schlüssel wieder geöffnet. I'm thinking ausziehbarer Schlüsselanhänger!


Am Nachmittag entspannen wir uns in einem der zahlreichen Stadtparks. Max turnt herum und schliesst bereits Kontakte (was mach ich mir eigentlich Sorgen? Der wird hier PRIMA zurecht kommen!) und ich beobachte all die kleinen Leos und Sofies und Annerls, welche ihren Eltern universell Freude bereiten, wenn sie anderen das Schauferl auf den Deckel hauen oder eine Faustvoll Sand in den Mund schieben, und fühle mich fast ein bisschen wie zu Hause.

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Kein einziges Bild machen wir am nächsten Tag von der Volksschule 48. Das spricht Bände. 

Auch wenn die letzte Woche vor den Sommerferien alles andere als ein idealer Besuchsmoment ist, sind wir scheinbar vergessen gegangen. Wir werden ins Büro der Direktorin geführt, welche uns rasch und etwas abgehetzt Wissenswertes über ihr Haus erzählt. Schien sie noch per Mail sehr herzlich und redegewandt, erleben wir sie heute sehr nervös und unvorbereitet. Max zieht sich komplett ins Schneckenhaus zurück und holt seine Malsachen hervor. Er lässt sich zu keiner Antwort überreden und ignoriert uns völlig. Mein sonst so offener und kommunikativer Sohn zeigt mir überdeutlich, wie er sich fühlt. 

Papiere kann sie mir keine offerieren, die würden erst am Nachmittag zurecht gemacht. Rasch dürfen wir noch zwei Klassenzimmer von innen sehen, eingeladen werden wir in keines. 

Nach einer halben Stunde sind wir froh, die Schule verlassen zu können und spazieren nachdenklich zurück zur Bushaltestelle. 

Max und ich sehen uns an. "Froschbergschule?" - "Froschbergschule!"

Der anschliessende Anruf bei Frau Grünberger bestätigt unser Bauchgefühl. Wiederum möchte sie mit Max sprechen, also reiche ich den Hörer weiter. Sie lässt ihn wissen, wie sehr sie sich auf ihn freut und wünscht ihm aber erstmal einen wunderbaren Sommer. Die Formalitäten sind rasch erledigt. "Wissen Sie", sagt mir Frau Grünberger zum Schluss, "Sie passen zu unserer Schule. Das war mir vom ersten Händedruck an klar. Willkommen bei uns!"


Mit einem Zoobesuch und anschliessenem Hamburgeressen im örtlichen MacDonalds klingt der Tag schliesslich aus. Max ist sichtbar gelöst. Beim Stadtbummel schleicht sich seine Hand in meine. "Mama?" fragt er. "Kann ich morgen nochmal zur Schule gehen?"

1 Kommentar:

  1. Spannend.
    Was den Bayer/Oesterreicher angeht: mach dir keine Gedanken. Sozusagen Nachbarn. Siehe "Der kleine Grenzverkehr" von Kästner.

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