Donnerstag, 25. Juni 2015

Kindermund






Ein lang gehegter Wunsch geht in Erfüllung: Max darf mit dem Nachbarsmädchen eine Reitstunde besuchen. Ich bleibe zuhause und hüte die beiden jüngeren Geschwister. Den Schilderungen nach sitzt er wie ein Profi im Sattel und hält sich am Sattelknauf fest. "Das ist ja wie der Steuerknüppel in einem Bagger!" 

Zuhause erzählte er dann noch, wie er dem Pferd nach dem Ausritt die Felgen auskratzen musste... 
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"Cedi, sag mal TCS."
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- "Cedi, sag mal Volvo."

- "BMW."

- "Nein V.O.L.V.O.!"

- "MECEDES."

- (langsam etwas genervt) "Dann sag halt SAAB!"

- "FAUWE."
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"Mama, du hast ja einen regelrechten Walfischbauch!"  
(Möchte wer einen Fünfjährigen adoptieren?)

Mittwoch, 24. Juni 2015

Old habits die hard

"Iiiieh, kaust du etwa deine Nägel?" 
(ca. 1988 - Ein Nachbarsmädchen schüttelts. Mich eigentlich auch.)

"Für jeden intakten Nagel gibts Taschengeld." 
(um 1990 - der verzweifelte und letzte Versuch eines Vaters, seiner Tochter die Unsitte abzugewöhnen. Erfolglos muss man anfügen. Es bleibt in Erinnerung: ein ständig leeres Kässeli und der panische Versuch, mit Caran d'Ache einen weissen Nagelrand hinzumalen, wo keiner war.)

"Du hast so schöne Hände!" 
(Derselbe Vater, mässig subtiler, aber immer noch chancenlos.)

"Hör doch einfach auf." 
(2011 - eine gelassene und optimistische Freundin. Ich rolle innerlich mit den Augen. Genauso gut könnte sie mir vorschlagen, ich solle mir auf der Stelle einen Bart wachsen lassen oder einen Senkrechtstart zum Jupiter hinlegen.)


Und nun doch: 
Hiermit verkünde ich stolz: Ich bin seit 41 Tagen kaufrei! 
 
Ich bin 36 Jahre alt und beisse meine Nägel seit ich denken kann. Bis auf ein, zwei Wochen um unseren Hochzeitstag kann ich mich nicht daran erinnern, jemals KEINE abgekauten Nägel gehabt zu haben. Zwar war ich nie eine von denen, die ihre Nägel bis zum Anschlag kürzte. Oder gar bis es blutete. Dennoch taten mir oft die Fingerkuppen so weh, dass ich kaum etwas anfassen, halten oder aufheben konnte, und ich wäre vor Schmerz am liebsten an die Decke gegangen. 
 
Keine der ausprobierten Massnahmen half. An den bitteren Geschmack von Bitex gewöhnte ich mich schnell, Handschuhe zum Fernsehen waren genauso schnell aus- wie angezogen, Tagebuch über Auslöser und Befinden führte ich genau von Montag bis Dienstag und jegliche diszplinarischen Aktionen meiner Eltern verstärkten das Problem höchstens.

Mein Vater erzählte mir oft von seinem eigenen Moment der Erleuchtung im Bus. Davon wie er als Sechzehnjähriger seine Hände betrachtet hatte und feststellte, dass er schöne und schlanke Finger hatte. Alles was ihn von einer gepflegten Hand trennte, waren die kurzen Nägel. So hörte er vom einen auf den anderen Tag auf, seine Nägel zu kauen..
 
Auf diesen Moment wartete ich nun also ebenfalls. Irgendeine Erkenntnis, den brennenden Dornbusch, die Erleuchtung, welche auch mich diese scheussliche Angewohnheit ablegen liess.
 
Herrje, was schämte ich mich für meine Hände! 
 
- An der Kasse, wenn ich es nicht schaffte, vor den Augen der wartenden Kassierin das Wechselgeld zusammenzukleuben.
- Im Bus oder Zug, wenn ich mich inmitten der Menschenmenge irgendwo festhalten musste, aber lieber in Kauf nahm, mich langzulegen, als die Hand an einer Stange zu exponieren.
- Unterwegs mit Freunden, wenn ich Mineralwasser statt Cola kaufte (Schraubverschluss!), und Folienverpackungen einen vor ein schier unüberwindbares Hindernis stellten.
- Während unzähliger Gschpürschmi-Übungen im Lehrerseminar, wobei man sich an den Händen halten und sinnbefreite Streichelaktionen durchführen musste. Steigerungsform: Dem Schwarm als Versuchspartner zugeteilt werden.
- Und nicht zuletzt, als ich meinen Mann kennenlernte. Zum Glück war Januar und Handschuhe noch nie so in Mode. Sechs Monate nach dem ersten Kuss versteckte ich immer noch meine Hände im Schoss, wenn wir uns im Zug gegenüber sassen. Als er einmal auf meine Hände blickte und ich sie reflexartig zu Fäusten ballte, schmunzelte er. "Dachtest du wirklich, ich hätte das noch nicht bemerkt?" Ich hätte ihn vom Fleck weg geheiratet. 

Nach dem Einstieg ins Berufsleben und dem Abzahlen der ersten Steuerschulden lag wieder etwas Taschengeld drin. Dieses trug ich in meiner Verzweiflung in ein Nagelstudio und liess mir Gelnägel (oder wars Acryl?) aufmodellieren. Aber auch die löste ich innert kurzer Zeit wieder mit den Zähnen. Der  nervöse Trieb stieg mit der Herausforderung eines harten Kunstnagels um ein Vielfaches. Vier Jahre lang hielt ich durch. Ging alle drei Wochen ins Studio, obwohl es wöchentlich nötig gewesen wäre. Jede Sitzung kostete mich - je nach Grad der Zerstörung - zwischen 80.- und 150.-. Einmal vom Gel befreit wuchsen meine eigenen Nägel wieder dünn, weich und brüchig nach. Nicht gerade die ideale Voraussetzung für einen Neubeginn... 

Erst zwei Wochen vor dem Hochzeitstag, mit dem Fototermin im Nacken, schaffte ich es zum ersten Mal, meine geplagten Hände in Ruhe zu lassen. Der wunderschöne Ring kam tatsächlich zur Geltung, und die Bilder von unserem Festtag betrachte ich heute mit Freude und Stolz. 

Und danach gab ich auf. 

Bis ich vor wenigen Wochen über einen Online-Artikel einer kurzlebigen Zeitung stolperte. Leser geben anderen Lesern in schwierigen Situationen Tipps: 




Livias Vorschlag schlug ein. Schnurstracks begab ich mich ins Bad. Zuhinterst im Spiegelschrank fristete ein alter Nagellack für Sommerzehen (Farbe "Plum Chocolate") ein trauriges Dasein. Für meine Zwecke aber genügte er völlig. Die Signalfarbe tat ihre gewünschte Wirkung. Innert weniger Tage wuchs ein beachtliches Nagelrändchen, und ich freute mich diebisch über jeden Zehntelmillimeter, der folgte!

Das Resultat nach (fast) unfallfreien sechs Wochen kann sich sehen lassen, finde ich: 







Eine Obsession hat jedoch die andere abgelöst. Alles ausser Perfektion ist inakzeptabel. Somit frische ich - zum Leidwesen meines Mannes - beinahe täglich die Nägel auf. Mit Vorteil wenn die Kleinen eingeschlafen sind, denn sonst hilft auch kein schnelltrocknender Nagellack. (40 Sekunden, Maybelline? MaybeNOT!)

Cedric, zwei