Sonntag, 30. Juni 2013

Sonntagsausflug

Samstagnacht
Ein Blick auf den Wecker bestätigt das Bauchgefühl: Wieder sind 15 Minuten seit der letzten Wehe vergangen. Kommen eigentlich auch Übungswehen regelmässig? frage ich mich. Im Geiste gehe ich nochmal die Erkennungsmerkmale der sogenannten Braxton-Hicks-Kontraktionen durch. Anstrengend, aber kaum schmerzhaft? Naja. Während die nächste Welle anrollt, rolle ich mit den Augen und veratme. Jede Wehe scheint ein weniger heftiger als die vorangegangene. Michi schläft den Schlaf der Gerechten und lässt sich von meinem Gepuste und Rumgewälze nicht stören. Whatsapp Nachrichten von meinem Bruder, der Nachtschicht fährt, lenken ein wenig ab. Auch er zählt mit und findet gegen den frühen Morgen, dass vielleicht doch ein Anruf bei den Eltern angebracht wäre. Wohin sonst mit Max? Ein Kontrollbesuch im Spital scheint unumgänglich. Sicherheitshalber, versteht sich. Schliesslich alles nur eine Übung. Pffffffffffffffff... Oder? 

Samstagmorgen
Als meine Eltern gegen halb neun eintreffen, ist Max völlig durch den Wind. Auch wenn ich für jede Wehe kurz im Bad verschwinde, entgehen ihm die Nervosität und Aufregung nicht. Er lässt mich kaum aus den Augen und versteht nicht, weshalb er rasch packen und mit Grosi und Grossvati mitfahren darf. Der Abschied fällt herzzerreissend aus. Bis heute Abend! ruf ich ihm nach. Und weiss nicht, ob ich damit eher ihn oder mich beruhigen will.

Halb zehn
Im Spital schliesst man mich erst mal ans CTG an. Der Muttermund ist bereits drei Zentimeter geöffnet, die Wehen folgen im Acht-Minuten-Takt. Obwohl ich mich schon beim Eintreffen im Gang am Geländer festhalten und veratmen musste, und nun auch der Wehenschreiber eine deutliche Sprache spricht, bin ich immer noch überzeugt, dass jede Wehe die letzte war. Es sind schliesslich noch vier Wochen bis zum errechneten Entbindungstermin! Erst als die Hebamme den Medikamentenschrank aufschliesst, die Heizlampe und den winzigen Strampler in Position rückt, wird mir mulmig. Meine Frage, ob wir denn nicht bald nach Hause gehen könnten, beantwortet die Hebamme mit einem Schmunzeln: "Sie gehen hier nicht mehr zu zweit raus." Ich schlucke leer.

Mittags
Der offerierte Braten-/Gratin-/Spargelteller lockt so gar nicht. Michi hingegen lässt es sich schmecken. Ich bin zum Essen zu aufgeregt. Die Akupunktur wirkt bereits, die Wehen folgen straffer. Bald zählen wir nur noch fünf, dann vier und schliesslich zwei Minuten dazwischen. Wegen meiner blutverdünnenden Medikamenten wird für mich eine PDA nicht in Frage kommen. Die Hebamme erklärt mir, dass ich - sollte ich dies wünschen - eine Art Pumpsystem installiert bekomme. Werden die Schmerzen unerträglich, wird auf Knopfdruck (von mir selber ausgelöst) ein Opiat in meinen Kreislauf gespritzt, welches sofort wieder abgebaut wird.

Nach der schlaflosen Nacht hat die Hebamme Mitleid mit mir. Sie möchte, um die Geburt voranzubringen, die Fruchtblase öffnen. Ein kurzer Anruf bei meiner Frauenärztin ergibt grünes Licht. Zudem macht sich Frau Doktor auf den Weg zu uns. Lange dauert es wohl nicht mehr.

Und wirklich: ab jetzt gehts zackig. Mit der geöffneten Fruchtblase senkt sich das Kind sehr schnell, der Druck ist kaum mehr zum Aushalten. Jede Wehe folgt ein wenig zeitnaher. Die vielzitierte Vergesslichkeit, welche die Natur so gnädig eingerichtet hat, weicht. Als die erste Presswehe anrollt, erinnere ich mich wieder ganz genau an die Schmerzen bei der letzten Geburt. Ich kralle und beisse mich im aufgehängten Tuch fest. Was mir dabei entgeht: Michis Finger stecken noch dazwischen. Aber ein wenig Solidarität muss sein!

Schliesslich ist der Punkt erreicht, an dem ich um Schmerzmittel regelrecht bettle. "Das geht jetzt aber ganz schnell, Frau W. Wollen Sie wirklich noch...?" Ich brülle ihr meine überzeugte Antwort entgegen und innert zwei Minuten sitzt das Schläuchlein. Mir wird ein kleines Kästchen in die Finger gedrückt, welches aussieht, als ob es einen antiken Diaprojektor bedient, und ich presse hektisch auf den kleinen Knopf. Eine Überdosierung sei unmöglich, hatte man mir zuvor versichert. Egal, ich will meine Drogen - jetzt! Doch... Das erwartete Flash bleibt aus. Ob es an meinem Timing liegt, oder ob ich einfach wie schon bei Max' Geburt überhaupt nicht auf die verabreichten Schmerzmittel reagiere... Wütend nehme ich die nächste Presswehe zur Kenntnis und höre, wie die Hebamme mich zu übertönen versucht: "Nicht die Beine zusammenklemmen!" Der Schmerz ist so überwältigend und atemraubend, dass ich wahrlich sterben möchte, nur damit es aufhört. In der nächsten Verschnaufpause fehlt mir die Kraft, um den Knopf zu drücken. Also schreie ich bei der folgenden Wehe meinen Mann an: Drück! Drück doch den verdammten Knopf!! Aber auch diesmal verspüre ich keine Wirkung.

Eine letzte Presswehe, und ich fühle, wie das Kind durchs Becken rutscht, spüre, wie es aus mir rausgleitet. Erleichtert rufe ich immer wieder: Er ist da! Er ist da! Schon wird er mir auf den Bauch gelegt und mit einem vorgewärmten Tuch zugedeckt. Das Glück und die Erleichterung lassen sich schwer in Worte fassen. Die Schmerzen sind schlagartig weg, und eine erste Bestandesaufnahme ergibt: Ein gesundes und komplettes Neugeborenes - unser Sohn ist endlich bei uns!

Fast eine Stunde lang haben wir nun Zeit, uns gegenseitig zu bestaunen. Wie warm er ist, wie gut er riecht, und wie sehr er seinem grossen Bruder ähnelt! Nur ungern gebe ich ihn wieder her, damit ihn die Hebamme vermessen und einkleiden kann. 2705g leicht und 46cm lang - eine Frühgeburt per Definition, und doch ein gesundes, wenn auch kleines, zartes Bübchen.

"Beim zweiten geht meistens alles schneller und einfacher." Wie oft habe ich diesen Satz in der Schwangerschaft und im Kreisssaal gehört und nicht geglaubt. Bis jetzt. Ganze eineinhalb Stunden hat die Geburt gedauert und geschafft, was ich nie für möglich gehalten hätte: Ich fühle mich mit der ersten versöhnt. Was für eine wunderbare Erfahrung!

Und als nächstes vielleicht noch ein Mädchen?...



Dienstag, 25. Juni 2013

Er ist da!

Unbernische vier Wochen zu früh, aber xung u zwäg ist er am 9. Juni zu uns gekommen: Unser Jüngster und ganzer Stolz: Cedric Alexander!

 Frisch geschlüpft...

 ... und wenige Stunden später schon etwas entfaltet.

 Endlich daheim!

Stolzer grosser Bruder

Das erste Guetnachtgschichtli zu viert. Die Augenringe sitzen.

 Glücksmomente...

 ... im neuen Alltagschaos.