Mittwoch, 19. November 2014

Kindermund

Max zählt seine vielen Mückenstiche. Die Biester haben ihn und seinen Bruder den ganzen Sommer über arg geplagt. Ich versuche ihn mit einem Scherz über die zahlreichen juckenden Pusteln zu trösten. "Diese Blutsauger hätten ja wenigstens erst fragen können!" Max lässt sich den Gedanken durch den Kopf gehen und meint schliesslich trocken: "Wobei die ja gar nicht sprechen können..."

Ich sitze im kleinen Badezimmer auf dem Klo. Die Tür öffnet sich einen Spaltbreit, Max streckt den Kopf herein und quengelt: "Mama, ich muss ganz dringend!" In einem der raren ruhigen Momenten gestört, schnauze ich Max an, er solle doch das WC im grossen Badezimmer benutzen. "Aber dort stinkts!" bekomme ich zur Antwort. Nachdem ich gestern mehrere Stunden lang die Wohnung geputzt und aufgeräumt habe, erscheint mir dies eher unwahrscheinlich. "Ich habe gerade gestern erst ein neues Putzmittel ausprobiert. Das WC müsste eigentlich blitzblank sein. Schau nach!" und ziehe die Tür wieder zu. Ein Weilchen hört man nichts mehr, dann geht die Tür wieder auf. Max stellt sich in den Türrahmen und stemmt die Hände in die Hüfte. "Also Mama (kurze Pause), ich ERWARTE von dir, dass es im nächsten Jahr (!) jetzt immer so aussieht!" (wieder kurze Pause) "Merci." Die Tür schliesst sich wieder.

Erst jetzt findet Max langsam Gefallen an Musik. Bei der Tagesmutter spielt tagsüber häufig das Radio. So kommt es immer wieder vor, dass er mitten im Spiel einen aktuellen Hit zu trällern beginnt. "Baddabeiss, baddabeiss!" entpuppt sich als "About the Bass" von Meghan Trainor. (Schön in Erinnerung auch der Moment, wenn Junior den Text erklärt haben möchte, und Mutter sich bei "shake your booty" verrenkt und sich zu "all the right junk in all the right places" etwas einfallen lassen muss. )
Hinter "Uuuuuu, Adivido!" versteckt sich "Budapest" von George Ezra. (Reinhören, klingt wirklich so!)
Und gelegentlich klingt es aus dem Kinderzimmer: "Abecedeäffge, hadioka, ellemenope!" oder "Sur le pont d'Avignon, ohni Dose, ohni Dose!"

Unzählige youtube-Videos von Werbefilmen zu Landwirtschaftsmaschinen und Zeichentrickfilmen, bei denen Mutter nostalgisch wird (Gummibärenbande, Yakari, Taotao, Alfred J. Quack...) führen dazu, dass Max immer wieder hochdeutsche Ausdrücke in seine Sprache einbaut. Es kann auch vorkommen, dass wir beide zusammen eine ganze Stunde lang "deutsch" miteinander sprechen - einfach aus Freude an der Sache! So rügt er seinen Bruder schon mal: "Nei, Cedi, das darfsch du etz auf keinen Fall!" oder nimmt ihn an der Hand: "Chum, i zeige dir, wos lang geit."
Völlig faszinierend zu beobachten, wie er mit seinen viereinhalb Jahren bereits ein Gespür für die komplett verschiedenen Sprachmelodien hat. Wenn er mit Vergnügen kauderwelscht, ist sofort hörbar, dass er "englisch" spricht. Und wer hätte nicht Freude, wenn seine Kochkünste mit einem "amazing!" oder "delicious, Mami!" gerühmt werden...

Mittagstisch. Es gibt Gemüserösti und Pouletbrüstchen im Speckmantel. Max liebt Speck über alles und isst ihn trennkostmässig vor allem anderen. Zum Probieren vom Geflügel muss er nachgerade genötigt werden. Erstaunt stellt er nach einem Bissen fest: "Mmh, das Fleisch ist ja butterzäh!"

Ich steh noch ein wenig verschlafen in der Küche und bereite das Frühstück vor. Max kommt herein, klatscht mir kräftig auf den Hintern und ruft: "Hallo, ist da jemand drin!?"

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen