Sonntag, 15. Januar 2017

Im Januar, im Januar...

Es geht nichts über eine gute alte Angina, um den Neujahrsvorsätzen Nachdruck zu verleihen. Im Medizinschrank summieren sich die Packerl, während die Kilos purzeln.



Essen wird zu einer ungewohnten Qual, wenn jeder Bissen an Rasierklingen im Hals vorbeiführt. Auch mein Geruchssinn ist beeinträchtigt, was das Kochen für die Familie zu einem Lotteriespiel macht. Pancakes sind zum Glück ein Dauerbrenner. Und weich genug sind sie auch für die Patientin.



Pancakes nach Cynthia Barcomi

  • 180g Mehl
  • 2TL Backpulver
  • 1/2 TL Salz
  • 2 Eier
  • 2dl Milch
  • 30g flüssige Butter
  • opt. 10g Zucker
Trockene Zutaten locker (!) zu den flüssigen geben. Leicht vermengen und esslöffelweise in der Pfanne ausbacken.

Bis auf den einen oder anderen Schnupfen bleiben meine drei Männer zum Glück von solchen Käfern verschont. Max und Cedi kümmern sich rührend um mich. Als ich mit Fieber im Bett liege, spielen die beiden friedlich stundenlang im Kinderzimmer. Gelegentlich schleicht sich einer in die Küche, um sich ein Gummibärli zu stibitzen oder tappt leise ins Schlafzimmer, um mir über Gesicht zu streicheln. Es scheint für die zwei nachgerade spannend, dass Mama für einmal ausfällt und Pflege bedarf. Auch wenn ich mich sterbenselend fühle, geniesse ich die Aufmerksamkeiten und Annehmlichkeiten, welche ich sonst meinen kleinen Patienten bereite. Max liest mir eine Gutenachtgeschichte vor, während mir Cedi eine Tasse Tee und sein liebstes Stofftier bringt. Was für liebe Buben! 

Abgesehen davon hat uns der Alltag wieder. Michael bekommt in der Firma spannende neue Aufgaben zugeteilt. Es macht mich glücklich zu sehen, wie aufgestellt er arbeiten geht, und mit welcher Zufriedenheit er abends nach Hause kommt. Auch die Burschen legen einen grossartigen Start in der Schule und im Kindergarten hin. Max erledigt plötzlich seine Hausübungen in einem Bruchteil der Zeit. Er entdeckt seine Freude an der Mathematik und liest zum ersten Mal ein Bilderbuch von Anfang bis Ende selber durch. Cedric hingegen geht nun auch im Kindergarten aufs WC, auch wenn er sich von der Windel noch nicht trennen mag. Er löst mit einer Engelsgeduld und Ausdauer Puzzles am Laufmeter - mittlerweile auch solche, die Max geschenkt bekommen hat, sich aber nicht recht dafür begeistern mag. Der Mittagsschlaf ist nun gänzlich abgewöhnt. Nach dem kürzlichen Schlittelausflug mit dem Kindergarten lassen die Kräfte aber schon vor dem Abendessen nach: Cedi schläft auf meinem Bauch ein, während wir uns ein Youtube-Video anschauen. 


Unsere Ferienwoche in der Schweiz hallt immer noch nach. Es war einfach wundervoll, all unsere Familien und so viele Freunde wiederzusehen, durch unseren alten Wohnort zu flanieren und in Erinnerungen zu schwelgen. Jeder einzelne Tag war vollgepackt mit Einladungen und Treffen, um das meiste aus der kurzen Zeit herauszuholen. 

Meine Freundin Fabienne vermietet uns ihr Kellerstudio. Hier können wir uns selber sein und den Buben eine Basis bieten, welche einen Ausgleich zu den hektischen Tagen bietet. Beide Grosselternpaare hätten uns gerne als Gäste aufgenommen. Aber wir brauchen die Gelegenheit zum Rückzug und ein "eigenes" Zuhause, um zwischendurch zur Ruhe zu kommen.


Während die Kinder bei den Grosseltern spielen, spazieren Michael und ich durch das winterliche Thun und geniessen seit langem die ersten Stunden zu zweit.



Bern, während der letzten zehn Jahren unser Zuhause, sehen wir nach den sechs Monaten im Ausland mit ganz neuen Augen. Wir staunen über die in kurzer Zeit entstandenen Veränderungen in der Stadt und über den schier unerschwinglich gewordenen Kaffee. 4.50 füre Schale?! Wir begreifen langsam, worüber Touristen aus dem Euro-Raum seit Jahren klagen und rechnen nach, wieviel Diesel wir benötigen, damit es gerade über die Grenze zur ersten österreichischen Tanke reicht.  

Bärn, i ha di gärn!


Wenn nur ein Kaffee drinliegt, solls ein rechter werden. Adriano's. What else?

Darauf freuen sich Max und Cedi schon lange: Die zwei dürfen bei Götti und Gotti in Gümligen übernachten. Zum ersten Mal besuchen die beiden mit der Patenfamilie die Eisbahn. Nach anfänglicher Skepsis (und einer grossen Portion Pommes!) tauen sie nicht nur langsam auf, ja bekommen sogar Spass an der Sache. 









Abends wärmen sie sich an der Finnenkerze im Garten und bauen Legoautos zusammen. Und vermissen uns keine Sekunde!

Als wir am nächsten Tag dazustossen, um Gotti Claudias Geburtstag zu feiern, finden wir alle Kinder vor dem Cheminée mit Stangenbroten und Cervelats. Nach einem halben Jahr Abstinenz schmecken die drei Bissen Wurst, die Cedi mit mir teilt, absolut himmlisch.




Der neuerliche Abschied von unseren Freunden auf unbestimmte Zeit ist kein leichter. Ob wir mit der Zeit darin Übung bekommen? 

Keine Schneeflocke weit und breit. Bei schönstem Kaiserwetter spazieren wir mit Michaels Eltern von Schönried nach Gstaad. Max und Cedi sind ausgelaugt von der intensiven Woche und müssen meterweise bestochen und zum Weiterlaufen überredet werden. Nach einer kurzen Bahnfahrt retour wartet eine tolle Belohnung auf uns alle: Ein Mittagessen auf der Sonnenterrasse vom Hotel Kernen in Schönried.





Einen Tag vor unserer Rückreise sind wir in unserem ehemaligen Wohnhaus zu einem Raclette-Abend mit Nachbarn eingeladen. Mit einem seltsamen Gefühl im Bauch nähern wir uns der alten Strasse. Wie ungewohnt, unten am Haus um Einlass zu klingeln! Als sich die Lifttüre im zweiten Stock öffnet, rollen die ersten Tränen. Meine Freundin Andrea, Max und Cedrics Tagesmutter, bereitet uns einen warmherzigen Empfang. Wir umarmen uns lange. Was hat sie mir gefehlt! Die Buben hingegen machen sich nichts aus den Sentimentalitäten und stürmen wie am allerersten Tag nach dem Einzug die Wohnung, schnappen sich die lang entbehrten Freunde und Spielsachen und sind sofort wieder ... daheim.


 



 



Nach einer kurzen Stippvisite im Parterre bei Ursula und Kamel fahren wir ein letztes Mal Richtung Thun. Mit einem Kloss im Hals steuere ich den Volvo die vertraute Strecke Richtung Autobahn. Was wir alles aufgegeben und hinter uns gelassen haben... 

Jetzt gilts vorwärts zu schauen, nicht zurück. Unsere Auswanderung haben wir noch keinen Tag bereut. Doch fehlen uns immer noch unsere Beziehungen, unsere Freunde und Familie. Unser Netz, das uns jederzeit trug und Halt gab. Auch wenn neue Bande hier in Österreich geknüpft sind, sind diese Verbindungen erst zart und distanziert

Gelegentlich fehlt mir einfach das Schnattern und die zufälligen Begegnungen im Treppenhaus und der gemeinschaftlichen Waschküche. (Auch wenn die eigene Maschine unbestritten Vorteile bietet.) Aber dass ich unmittelbar nach dem Einzug den halben Keller flutete, weil ich die Tricks und Kniffe unserer Waschmaschine noch nicht kannte, legte den Grundstein für eine wunderbare Freundschaft. Merci, Andrea und David... Pour tout!

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